08.12.2022
Den Ausklang und gleichzeitig Auftakt eines neuen Jahrtausends hätte man wohl kaum beeindruckender gestalten können als mit dieser vollendeten Performance zweier bahnbrechender Protagonisten der Technologien der Zukunft. Gemeinsam boten sie eine absolut außergewöhnliche Meisterleistung und prägten mehrmals in den darauffolgenden Jahrzehnten die Raumfahrtgeschichte.
Es war der 10. Dezember 1999, punkt 13:32 MEZ, als die europäische Schwerlastrakete Ariane 5 planmäßig vom Weltraumbahnhof Kourou aus startete. Mit an Bord beförderte sie mit dem XXM einen Röntgen-Mehrfachspiegel der Europäischen Weltraumorganisation ESA, der als modernstes wissenschaftliches Raumfahrzeug seiner Zeit gehandelt wurde.
Neunundzwanzig Minuten nach dem Start wurde das XMM-Weltraumobservatorium mit unvorstellbarer Präzision im All ausgesetzt, wobei die Ariane 5 das angepeilte Ziel nur mit 1,5 km minimalst verfehlte. Rund 20 Sekunden nach der Entkoppelung gingen beim Flugkontrollzentrum die ersten Messdaten ein, während innerhalb einer Stunde nach dem Start das Raumflugkontrollzentrum bestätigte, dass das Raumfahrzeug bereits über die ausgefahrenen Solarmodule mit Strom versorgt wurde. Mit diesem Bilderbuchstart wurden die Weichen für eine erfolgreiche Mission gestellt. Ziel war es, die Wissenschaft und unser Verständnis vom Universum auf ein völlig neues Level zu heben.
Der Zukunft entgegen
Für Europa stand bei dieser Mission einiges auf dem Spiel. Es handelte sich um die erste kommerzielle Mission der damals neuen Ariane-5-Rakete. Fluggast war niemand geringerer als der größte und ausgereifteste Wissenschaftssatellit, der jemals auf europäischem Boden konstruiert worden war.
Europas modernste Rakete war nicht etwa eine bloße Weiterentwicklung auf Basis ihrer Vorgängerversionen, sondern ein grundlegend neues Konzept. Es war so ausgelegt, dass es einem angesichts zunehmender Raumfahrtaktivitäten und immer höher gesteckter Ziele umfassenderen Anforderungsspektrum gerecht wurde. Bei diesem Flug musste sich die nun leistungsstärkere und vielseitigere Ariane 5 effektiv in jeder Hinsicht beweisen.
Und auch XMM setzte völlig neue Maßstäbe. Es ging um ein wissenschaftliches Schlüsselprojekt der ESA und nicht um die Erweiterung bzw. Überarbeitung einer bestehenden Technologie. Daher bestand die Aufgabe darin, Wissenschaftler anhand der Bereitstellung von Röntgenemissionsdaten bei der Lösung der wesentlichen Fragen rund um unseren Kosmos zu unterstützen.
Auf Infotour im Weltall
Auf vielen Himmelskörpern, darunter Galaxien, Quasare und mit unserer Sonne vergleichbare Sterne, entsteht Röntgenstrahlung. Diese gibt Aufschluss über chemische und physikalische Gegebenheiten. Da die Strahlung jedoch durch die Atmosphäre abgeschirmt wird, erreicht sie die Erdoberfläche nicht. Sie ist jedoch Übermittler von Informationen dahingehend, was weit vor unserer Zeit vor sich ging, als Sterne entstanden und wieder vergingen, und liefert Anhaltspunkte für unseren Weg in die Zukunft. Diese Art von Informationen können wir nur mit Hilfe von außerhalb der Erdatmosphäre platzierten Satelliten gewinnen.
Das 3,8 Tonnen schwere und 10 Meter lange XMM-Observatorium verfügt über drei mit 58 hochpräzisen Spiegeln ausgestattete Röntgenteleskope. Im Zuge seiner Mission konnte es Millionen Röntgenquellen detektieren und war damit weit erfolgreicher als alle Instrumente der Vergangenheit.
Für einen derart stattlichen Passagier und die vorhandenen Missionsanforderungen war die Ariane 5 offenkundig die erste Wahl.
Paradestart und neues Skript
XMM-Newton arbeitet in einer hochelliptischen Umlaufbahn zwischen mindestens 7.000 km und maximal 140.000 km Entfernung von der Erde. Das Röntgenteleskop legt in seiner 48-Stunden-Umlaufbahn fast ein Drittel der Entfernung zum Mond zurück, was eine Beobachtung über lange Zeiträume ermöglicht und optimale Voraussetzungen für den Kontakt mit Bodenstationen bietet.
Bereits beim Start von XMM „prophezeite“ der Projektverantwortliche, dass sich die Einsatzdauer des Satelliten angesichts des durch die Exaktheit des Ariane-Startmanövers verringerten Treibstoffverbrauchs auf 20 Jahre verdoppeln könnte. Und er sollte Recht behalten …