16.11.2021
Der ursprünglich aus Belgien stammende Angelo Vermeulen sieht sich als Weltraumforscher, Biologe, Kunstschaffender, Gemeinschafts-Bildner, potenzieller Astronaut … Und obwohl er ausgebildeter Naturwissenschaftler ist, hat er die Kunst zu seinem Lebenselixir erkoren. Auf die Frage nach den Gründen für seine Berufswahl verweist Angelo Vermeulen prompt darauf, dass die ausschließliche Beschäftigung mit der Wissenschaft seine Kreativität eingeschränkt habe und er dort nicht sein volles Potenzial ausschöpfen hätte können. Um jeglicher Frustration entgegenzuwirken, widmete er sich zahlreichen Projekten und wurde Mitbegründer des SEADS-Kollektivs.
Können Sie uns etwas über das Projekt SEADS erzählen?
2009 habe ich SEADS (Space Ecologies Art and Design) mitbegründet. Es handelt sich dabei um einen internationalen fachübergreifenden Verbund von Künstlern, Wissenschaftlern, Technikern und Aktivisten. Die Mitglieder des SEADS-Netzwerks kommen aus der ganzen Welt, so zum Beispiel von den Philippinen, aus Russland, dem Iran, aus Belgien, dem Kosovo und den Vereinigten Staaten. Wir alle verfolgen dasselbe Ziel, denn wir möchten die in Bezug auf die Zukunft herrschenden Paradigmen anhand von theoretischer Forschung und Praxistests hinterfragen.
SEADS lebt durch Gemeinschaft, Austausch und von Empowerment geprägten gemeinschaftlichen Schöpfungsprozessen mit flachen Hierarchien. Diese Vorgangsweise war von uns von entscheidender Bedeutung, um die Intelligenz der Gruppe maximal zu nutzen und so neuartige, integrativere und vielfältigere Zukunftsvisionen zu entwickeln. Aus diesem Grund arbeiten wir auch mit Open-Source-Programmen.
Mit dem „Biodiversity Tower“ haben wir in Anlehnung an die Insektenhotels eine Art Biodiversitäts-Apparat geschaffen und dafür den vom Institute for Public Art verliehenen Kunstpreis (Region Eurasien) erhalten.
‘@Angelo Vermeulen @SEADS – Biodiversity Tower
Womit beschäftigen Sie sich in Ihrer Kunst?
Das Gros meiner Arbeiten sind Kunstinstallationen. Außerdem befasse ich mich noch mit Fotografie und Videoproduktionen. Das Fotografieren habe ich schon parallel zu meinem Studium gemacht. Ich bewege mich ständig zwischen real-materieller Welt und Bilderwelten, die mich häufig in ihren Bann ziehen.
Ich selbst kann keinen Widerspruch zwischen der wissenschaftlich-biologischen Natur meiner Arbeit und ihrer künstlerisch-philosophischen Prägung erkennen, denn alles was ich mache, ist völlig transdisziplinär und kennt keine fachbereichlichen Grenzen. In meinen Werken treffen Kunst, Wissenschaft, Technik und Design aufeinander. Das sind jene Instrumente, über die ich mit der Welt kommuniziere.
‘@Angelo Vermeulen @SEADS – Seeker
Gerade im Rahmen von SEADS haben Sie ja unterschiedliche Ideen wie etwa das Space Farming Project umgesetzt. Können Sie uns mehr darüber verraten?
Bei bemannten Raumflügen müssen die Astronautinnen und Astronauten auch heute noch alle überlebenswichtigen Vorräte von der Erde mitnehmen. Beim Space Farming Project sind wir von der Annahme ausgegangen, dass es einer Versorgungsunabhängigkeit bedarf, um menschliches Leben im Weltraum zu sichern. Dies betrifft vor allem entfernte Galaxien und lange Zeiträume. Wir analysieren die Verbindung aus dem Ressourceneinsatz vor Ort, der Abfallverwertung und dem „Space Farming“, also der Landwirtschaft im All.
Letzteres ist das Herzstück des Space Farming-Projekts. Es geht darum, differenziert zu beleuchten, wie man Astronauten der Zukunft, die sich teilweise ja sogar im Weltraum ansiedeln werden, zu lokal angebauter Nahrung und biologisch erzeugtem Sauerstoff verhelfen kann. Das Thema Space Farming ist im Übrigen wesentlich für jeglichen Vorposten beim Eindringen in die Tiefen des Weltraums.
Die Herausforderung ist vor allem von einem biopolitischen Standpunkt aus betrachtet zentral. Unsere Geschichte hat nämlich klar aufgezeigt, dass Kolonialisierung und Landwirtschaft immer schon untrennbar verbunden waren. Unter den extremen und beispiellosen Bedingungen im Weltraum soll diese problematische Verbindung ihre eigenen Ideologien schaffen und wird hier möglicherweise auch ethische Debatten auslösen. Bis dato wurden in Zusammenarbeit mit unterschiedlichsten freiwillig tätigen Technologen, Agrarforschern, Lehrkräften und Studierenden mehrere Prototypen für den Weltraum entwickelt.
Inwiefern beeinflussen der Weltraum und ArianeGroup Ihr Schaffen?
Der Weltraum ist neben Ursprung und Entstehung des Lebens eines der beiden letzten Rätsel der Menschheit. Zumal der technologische Fortschritt in der Raumfahrt eine in jeder Hinsicht tragende Rolle spielt, denke ich vor allem an die sowohl positiven als auch negativen gesellschaftlichen, ethischen und biopolitischen Auswirkungen für die Menschen, die sich auf den Weg ins All machen. Deshalb sehe ich in ArianeGroup die künftige Möglichkeit für uns Europäer, Menschen in den Weltraum zu befördern.
@Angelo Vermeulen – MDRS Crew 122