26.09.2022
Die Trägerrakete Ariane 6 wurde für maximale Einsatzflexibilität konzipiert: Sie kann nicht nur für eine Vielzahl von Missionen in alle Orbits eingesetzt werden, sondern entwickelt sich aufgrund ihrer modularen Bauweise durch die Einbindung neuer Technologien auch kontinuierlich weiter. Neue Stufen, neue Booster, neue Triebwerke: Hier ein Überblick über die Möglichkeiten.
Von Anfang an wollten die ArianeGroup-Ingenieure sowohl institutionellen als auch kommerziellen Kunden von Arianespace mit der Ariane 6 ein Höchstmaß an Flexibilität und Vielseitigkeit bieten. Tatsächlich eignet sich die neue europäische Trägerrakete für eine breite Palette an unterschiedlichen Missionen zu allen Orbits. Sie kann in die niedrige, mittlere, geostationäre, sonnensynchrone oder polare Umlaufbahn entsandt werden, ebenso wie in Richtung der Lagrange-Punkte, zum Mond oder in die Tiefen des Weltraums. Ihre enorme Flexibilität verdankt die Rakete ihren Versionen Ariane 62 (2 Booster) und Ariane 64 (4 Booster), dem enormen Fassungsvermögen ihrer Nutzlastverkleidung, ihrem Mehrfach-Startsystem, ihren Nutzlastadaptern und den vielen unterschiedlichen Dispensern, die sie aufnehmen kann. Sie eignet sich auch ideal für den Transport von Satelliten-Konstellationen. Ihre mit dem wiederzündbaren Vinci-Triebwerk ausgestattete Oberstufe in Kombination mit dem APU-Hilfstriebwerk (Auxiliary Power Unit) ermöglicht große Flexibilität und die optimierte Ansteuerung mehrerer Umlaufbahnen.
Abgesehen von diesen grundsätzlichen Qualitäten wurde die Ariane 6 von Anfang an auf Weiterentwicklung und die Integration neuer Technologien ausgelegt. Kernelement dabei ist ihr modularer Aufbau, der bereits im Entwurf verankert war. Er ermöglicht die Weiterentwicklung der Schlüsselkomponenten, darunter neue Ausrüstung, neue Triebwerke, neue Stufen und neue Booster. Deshalb wird die Ariane 6 langfristig Spitzenleistungen erbringen und konkurrenzfähig bleiben, und das bei zunehmender Vielseitigkeit. So wird sie für neue Arten von Missionen eingesetzt werden und sich an veränderte Marktbedürfnisse anzupassen vermögen.
Erste Weiterentwicklungen initiiert
An ersten Weiterentwicklungen der Ariane 6 wird derzeit bereits gearbeitet. Unter anderem geht es dabei um die zusätzliche „Kick Stage“ Astris. Sie dient der Erhöhung der Leistungsfähigkeit der Trägerrakete im Rahmen neuer Missionen. Elektrisch angetriebene Satelliten werden dadurch direkt in ihre finalen Umlaufbahnen gelangen, Konstellationen können in verschiedenen Orbits platziert werden und extraplanetarische Missionen zum Mond oder zu den Asteroiden rücken in greifbare Nähe. Die Europäische Weltraumorganisation ESA hat ArianeGroup 2021 mit der Entwicklung dieser Kick-Stage beauftragt.
Dank ihres Multi-Launch-Systems MLS kann die Ariane 6 sogenannte „Rideshare”-Dienste anbieten, bei denen Kleinsatelliten und Mini-Raumsonden zusammen mit anderen Nutzlasten transportiert werden.
Bei der Entwicklungen einer neuen ultraleichten Ariane-6-Oberstufe namens Icarus („Innovative Carbon ARiane Upper Stage“: Innovative Ariane-Oberstufe aus Kohlefaser) setzt man überwiegend auf modernste Verbundwerkstoffen auf Kohlefaserbasis, wodurch die Rakete nahezu 2 Tonnen mehr Nutzlast in den GTO befördern wird können. Die Forschungs- und Entwicklungsarbeiten, darunter etwa Untersuchungen zu Flüssigwasserstofftanks aus Kohlefaser-Verbundstoffen, laufen bereits. Sie sind Gegenstand des im Mai 2021 unterzeichneten Phoebus-Vertrags zwischen ESA und ArianeGroup.
P120C+ – stark, stärker, am stärksten
Einen weiteren wesentlichen Meilenstein in der Entwicklung bildet das Feststofftriebwerk P120C+. Es ist einen Meter länger als sein Vorgänger P120C und die Treibstoffmenge wird um 10% auf 156 Tonnen erhöht. Der neue Booster macht die Ariane 6 noch leistungs- und wettbewerbsfähiger, denn dank der höheren Brenndauer kann die Trägerrakete 2 Tonnen mehr in die niedrige Erdumlaufbahn befördern, Satelliten-Megakonstellationen positionieren und bei Missionen in die geostationäre Umlaufbahn oder im Zuge von Wissenschafts- und Forschungsmissionen erheblich besser performen. Die ESA plant, die Programmvorschläge rund um die Entwicklung des P120C+ im Rahmen der Tagung des Ministerrates im November 2022 zu präsentieren.
Prometheus®: Starke Leistung, niedrige Kosten
Das in der Entwicklung befindliche Prometheus®-Triebwerk für die Trägerraketen von Morgen könnte ebenfalls Verwendung in der Ariane 6 finden. Der an ArianeGroup im Mai 2021 erteilte ESA-Auftrag zur Entwicklung einer Reihe von Prometheus®-Demonstratoren umfasst auch den Bau eines Flüssigwasserstofftriebwerks (anstelle der Methan-Version). Das Modell mit 120 Tonnen Schub könnte an die Stelle des Vulcain-2.1-Triebwerks der Hauptstufe treten. Zweimal Prometheus®, das wären demnach 240 Tonnen Schub. Damit könnte die Ariane 62 mehr Nutzlast in die geostationäre Transferbahn befördern und zusätzliche kleinere Missionen zu reduzierten Kosten anbieten.
Markiert Ariane 6 eine neue Ära der Wiederverwendung?
Bei Ariane-6-Modellen der Zukunft könnten die Feststoffbooster durch wiederverwendbare Flüssigbooster (Liquid Reusable Booster oder LRB) ersetzt werden. Sie hätten dieselben Abmessungen wie der Demonstrator für eine wiederverwendbare Raketenstufe, Themis, mit dessen Entwicklung die ESA ArianeGroup 2020 beauftragt hat. Ein Booster dieser Art mit drei Prometheus®-Triebwerken, die Flüssigsauerstoff und Methan verbrennen, würde zusammen mit den P120+ Boostern eine Art „Plug & Play“-Option ermöglichen. Je nach Starthäufigkeit führt dies zu einer Reduktion der Betriebskosten. Auch die nächste Generation von Trägerraketen profitiert davon, wenn mit Ariane 6 begonnen wird, das technologische Potenzial zur Wiederverwendung optimal auszuschöpfen.
Schließlich besteht die Möglichkeit, die Ariane 64 mit der „intelligenten“, wiederverwendbaren Oberstufe Susie von ArianeGroup auszustatten. Diese Raketenstufe könnte potenziell auch künftige Trägerraketengenerationen krönen, die Durchführung von automatisierten Frachttransporten erlauben und bemannte Raumfahrtmissionen mit bis zu 5 Astronautinnen und Astronauten ins All bringen, bevor die Rakete sicher wieder zur Erde zurückkehrt.
‘@ArianeGroup