29.10.2021
Michael Najjar kam 1966 im deutschen Landau zur Welt. Zwischen 1988 und 1993 studierte er an der Akademie der Künste in Berlin, wo er lernte, wie man Kunst konzeptionell und transdisziplinär umsetzt. Alle Fragen in Zusammenhang mit der Erforschung und Besiedlung des Weltraums üben eine enorme Faszination auf ihn aus. In seiner Arbeit setzt er sich deshalb intensiv mit Spitzentechnologien auseinander, um diese mit Hilfe seines Schaffens allgemein zugänglich zu machen und die Öffentlichkeit für sie zu begeistern.
‘@Michael Najjar – Void Space, 2016
Welchen Ansatz verfolgen Sie in der Fotografie, die bekanntlich Ihre Lieblingsdisziplin ist ?
In meinen Werken werfe ich einen kritischen und multidimensionalen Blick auf die technologischen Kräfte, die den Beginn unseres Jahrhunderts radikal gestalten und verändern.
Bei meinen Foto- und Videoarbeiten verwende ich einen interdisziplinären Kunstansatz. Ich lasse Kunst, Wissenschaft und Technologie miteinander verschmelzen, um die durch den Einfluss innovativer Hightech-Verfahren entstehenden sozialen Strukturen aufzuzeigen.
Ihre Arbeit ist einerseits wissenschaftlich und realistisch, andererseits jedoch auch philosophisch und futuristisch. Können Sie uns das näher erläutern ?
Meine Arbeiten werfen permanent die Frage nach der Beziehung zwischen der Wirklichkeit und ihrer technischen Darstellung auf. Dabei erörtere ich das grundlegende Kernthema der Bedeutung der Realität in einer zunehmend virtualisierten und simulierten Welt. Es geht mir darum, komplexe Weiterentwicklungen, die in Zusammenhang mit Spitzentechnologien zustande kommen, in Kunstwerke zu verwandeln. Dabei behandle ich nicht allein die wissenschaftlichen Problemstellungen, sondern auch mit der wissenschaftlichen Bildgebung verbundene formale und ästhetische Aspekte.
‘@Michael Najjar – Heterotopia, 2016
Wodurch wurde Ihr Interesse für Raumfahrtthemen ursprünglich geweckt ?
2011 hatte ich die Möglichkeit, den letzten Start eines amerikanischen Spaceshuttles zu fotografieren. Diese Erfahrung hat mich dermaßen beeindruckt, dass ich die Arbeit an meiner Werkreihe „Outer Space“ begonnen habe. Sie befasst sich mit den neuesten Entwicklungen in der Weltraumforschung und der Art und Weise, wie sie unser künftiges Leben auf der Erde, in der erdnahen Umlaufbahn und auf anderen Planeten beeinflussen werden.
‘@Michael Najjar – Gravity Turn, 2016
Innovative Neuerungen wie der Beginn der zivilen Weltraumentwicklung, die zivilisatorische Expansion in den Weltraum, die Industrialisierung des geolunaren Raums, die Entwicklung des zivilen Personentransports und die Unterbringung im Weltraum werden sich stark auf die Zukunft der Menschheit auswirken und eine einmalige industrielle und kulturelle Revolution auslösen.
Wie verarbeiten Sie die Problematiken der Raumfahrt in Ihren aktuellen Arbeiten ?
Die mit der Übergangsphase einhergehenden kulturellen Umbrüche sind das zentrale Element meines Schaffens. Dank Arianespace durfte ich zahlreiche Raketenstarts vom Weltraumbahnhof Kourou aus hautnah miterleben. Vor allem die Komplexität der Umsetzung eines solchen Unterfanges mitten im tropischen Regenwald hat mir neue Impulse geschenkt. Daraus ist auch mein bedeutendstes Werk „Orbital Ascension“ entstanden. Es veranschaulicht die Beziehung zwischen Technologie und natürlicher Umgebung. Die Arbeit hat Symbolcharakter und Signalwirkung, wurde vielfach veröffentlicht und in zahlreichen internationalen Ausstellungen präsentiert.
‘@Michael Najjar – Orbital Ascent, 2016
Was inspiriert Ihre Werke abgesehen von der Weltraumforschung im Alltag ?
Die zeitgenössische Kunst schenkt mir zahlreiche Impulse, aber auch Gespräche mit Wissenschaftlern, Ingenieuren und Unternehmern beflügeln mich. Generell habe ich verschiedenste Inspirationsquellen, wobei die Literatur vermutlich am wesentlichsten für mich ist.
Ich versuche so viel wie möglich zu lesen. Das betrifft sowohl wissenschaftliche Arbeiten als auch Science-Fiction-Lektüre der Autoren Isaac Asimov, Arthur C. Clarke, Stanislas Lem oder William Gibson. Zwischen 6 und 7 Uhr steht eine „morgendliche Lesestunde“ auf meinem Tagesprogramm. Und auch die Filmkunst ist mir sehr wichtig, vor allem Streifen wie Solaris, Metropolis, 2001: Odyssee im Weltraum oder Blade Runner.