10.03.2023
Vor 15 Jahren, am 9. März 2008, brachte die erste Ariane 5 ES den ersten europäischen Raumtransporter ATV (Automated Transfer Vehicle) ins All. Der erste europäische Raumfrachter mit Namen Jules Verne begann seine „außergewöhnliche Reise“ zur Internationalen Raumstation ISS. Drei Wochen später war er sicher am Ziel.
Der 9. März war für die Teams von Ariane und ATV ein emotionaler Tag: Dieser Start war das Ergebnis von mehr als 12 Jahren begeistertem Engagement, Hartnäckigkeit, Zweifeln und Arbeit an allen Fronten.
In all diesen Jahren musste man alles bis ins kleinste Detail erdenken. Natürlich konnten die bereits gesammelten Erfahrungen genutzt werden, aber man musste auch lernen, erfinden, entwerfen, bauen, demonstrieren, sich irren, überprüfen – und wieder von vorne beginnen. Anschließend ging es darum, zu produzieren, zu montieren, vorzubereiten, zu üben und zu überprüfen, immer und immer wieder.
Umso größer die Freude am Tag des Starts. Die Ariane 5 macht sich in ihrer neuen Version ES ATV auf den Weg ins All. An Bord, unter der Nutzlastverkleidung, befindet sich der Raumtransporter ATV, ein gewaltiges zylindrisches Vehikel von der Größe eines Londoner Doppeldeckerbusses – zehn Meter lang und ca. 20 Tonnen schwer mit einem Durchmesser von 4,5 Metern. Das ist mehr als das Doppelte der schwersten Nutzlast, die bisher von einer Ariane 5 befördert wurde. Das erste europäische Raumfahrzeug, das die Verbindung zum Orbit herstellt und mit Wasser, Sauerstoff, Treibstoff, Lebensmitteln, Kleidung und wissenschaftlicher Ausrüstung beladen ist, bereitet sich auf die Reise zur ISS und ihrer Besatzung vor. Am Boden sind die europäischen, russischen und amerikanischen Teams für Start und Flugkontrolle fieberhaft aufgeregt, aber mehr als bereit für den bevorstehenden Start.
Fotos ESA – CNES – ARIANESPACE / Photo Activité Optique Vidéo CSG
Das hat seinen Grund – das ATV ist das erste Frachtraumschiff sowie das größte und komplexeste Raumfahrzeug, das jemals in Europa entwickelt und hergestellt wurde. Das ATV wurde im Auftrag der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) von dem Unternehmen, das später zu ArianeGroup werden sollte, entwickelt und gebaut. Ein technologisches Juwel und das erste europäische Raumfahrzeug, das völlig autonom Annäherungs- und Andockmanöver an eine bemannte Raumstation durchführen kann. Da es zusammen mit der Station mit einer Geschwindigkeit von fast 28.000 km/h fliegt, muss er sich sanft und zentimetergenau an seinen Andockport ausrichten.
Für den Start dieses fast 20 Tonnen schweren Fahrzeugs musste eine neuartige Version der Ariane 5 entwickelt werden, die sogenannte ES ATV. Sie wurde speziell für diese Mission entwickelt und verfügt über eine wiederholt zündbare EPS-Oberstufe mit lagerfähigem Treibstoff und einem Aestus-Triebwerk, sowie über einen verstärkten Ausrüstungskasten und ein neu entwickeltes Flugprogramm.
Pünktlich, auf die Sekunde genau, als sich die Orbitebene der ISS über dem Startplatz in Kourou befand, hebt die Ariane 5 VA181 ab und nimmt ihren wertvollen Passagier mit, den sie nach einer eineinhalbstündigen, perfekt ausgeführten Sequenz mit zwei Schüben der EPS-Oberstufe in einer niedrigen Umlaufbahn aussetzen wird.
Unmittelbar nach seiner Ankunft in der Umlaufbahn, wo es unter der Kontrolle des Flugkontrollzentrums in Toulouse alle 90 Minuten einmal die Erde umrundet, entfaltet das ATV seine Solarpanel und Antennen. Jetzt beginnt die Reise in Richtung ISS.
Nach mehreren Manövern dockt es am 3. April daran an. Unter den wachsamen Blicken der russischen und amerikanischen Partner der ISS wird das ATV in den folgenden sechs Monaten seine Versorgungsmission an der Station erfüllen – und dabei zahlreiche europäische und weltweite Premieren verzeichnen, aber das ist wieder eine andere, genauso schöne Geschichte…
Der 9. März 2008 wird auch deshalb in Erinnerung bleiben, weil er den Weg für vier weitere Versorgungsfahrzeuge geebnet hat, die ihre Mission von 2011 bis 2015 erfüllen konnten. Auch der Start von 12 Galileo-Satelliten mit der Ariane 5 ES zwischen 2016 und 2018 und Europas Beteiligung an den Artemis-Missionen der NASA wurden somit ermöglicht.
Denn das Raumschiff Orion der NASA, das seine erste Mission (Artemis I) Ende 2022 absolviert hat, wird vom Europäischen Servicemodul (ESM), das vom ATV inspiriert ist, angetrieben und versorgt. Mit dem ESM setzt die US-Weltraumbehörde zum ersten Mal ein europäisches System ein, um ein Raumfahrzeug mit Astronauten an Bord mit Strom und Energie zu versorgen. Es ist der Beweis für ihren Glauben an die hervorragende Technologie und das technische Fachwissen, die das ATV demonstriert.
Jean-Jacques Dordain, damals Generaldirektor der ESA, erklärte oft: „Die Anerkennung von Europa als vollwertiger Mitausrüster von Seiten der historischen Partner Russland und Amerika ist dem ATV zu verdanken, natürlich zusammen mit und dank der Ariane.“