19.10.2020
Im Jahr 2002 verlor der Mechaniker Nicolas Huchet bei einem Arbeitsunfall seine rechte Hand. Nach mehreren Jobwechseln begann er sich mit der Möglichkeit auseinanderzusetzten eine bionische Hand im 3D-Druck-Verfahren herzustellen. Die hierbei gesammelten Erfahrungen inspirierten ihn schließlich zur Gründung von My Human Kit: Der Verein entwickelt, produziert und teilt technische Lösungen für und in Zusammenarbeit mit Menschen mit körperlicher Behinderung.
Können Sie uns erzählen, wie Sie zu diesem Job gekommen sind?
Eines Tages – ich trug damals bereits seit zehn Jahren eine Prothese – sah ich im FabLab in Rennes zum ersten Mal einen 3D-Drucker. In diesem Moment beschlossen wir gemeinsam, meine Hand zu drucken. Ich glaube, wir waren 2013 die Ersten, die eine bionische Hand druckten, was das enorme Medienecho erklärt.
Wie entstand My Human Kit?
Die Organisation entstand 2014 im Zuge dieses Projekts. Es war eine echte Innovation, denn wir stellten die Verbindung her zwischen den kreativen Tüftlern der FabLabs, den „Makern“, Open Source, 3D-Druck und digitaler Fertigung einerseits und dem Leben mit Behinderung andererseits. Damit haben wir auch dem Image des 3D-Drucks neuen Glanz verliehen, nicht nur in Frankreich, sondern weltweit.
Wie viele Personen arbeiten in Ihrer Organisation?
Aktuell sind es sieben Festangestellte und mehrere Ehrenamtliche. Wir möchten nicht zu groß werden, aber es wäre schön, wenn noch mehr solcher Initiativen entstehen oder wenn Firmen die von uns angestoßenen Projekte weiterführen würden. My Human Kit ist wie eine Art Sandkasten, in dem wir durch den intensiven Umgang und die Nutzung der Technologien eine neue Sichtweise auf das Leben mit Behinderung erhalten.
Wie kam es, dass My Human Kit 2019 bei ArianeGroup in Les Mureaux zu Gast war?
Unsere erste Begegnung mit ArianeGroup geht auf das Jahr 2015 zurück, als wir zum „Tag der Menschen mit Behinderung“ am ArianeGroup-Standort Les Mureaux in der Nähe von Paris unsere bionische Hand vorstellten. Damals lernten wir einen Mitarbeiter mit Behinderung kennen, mit dem wir in Kontakt blieben. Ihm ist es zu verdanken, dass wir 2019 das Fabrikarium (die Workshops von My Human Kit) organisieren konnten.
Welche Werte haben eine Organisation wie My Human Kit und die Ingenieure von ArianeGroup gemeinsam?
Der einzige Unterschied zwischen dem Ingenieur von ArianeGroup und dem „Maker“ von My Human Kit ist, dass der eine bei ArianeGroup arbeitet! [Gelächter] Beide sind immer auf der Suche nach Lösungen. Der Ingenieur löst Fragen zu Technik und Arbeitsabläufen, während der ehrenamtliche Maker eine zusätzliche menschliche Komponente ins Spiel bringt. Es geht darum, den Bedürfnissen eines Menschen gerecht zu werden, und nicht darum, das Optimum herauszuholen. Beides ergänzt sich.
Wie profitieren Unternehmen davon, dass sie Workshops wie die von My Human Kit hosten?
Damit erschließen sie ihren Mitarbeitern in zwei bis drei Tagen eine ganz neue Sichtweise auf ihre Arbeit. In diesem Fall geht es darum, neue Lösungen zu suchen, um Menschen zu helfen. Außerdem wird damit eine gewisse Offenheit nach außen und für das Leben mit Behinderung signalisiert – die Beteiligten werden dafür sensibilisiert, dass eine Behinderung sehr gut mit dem Berufsleben vereinbar ist. Das funktioniert allerdings nur, wenn alle das wollen. ArianeGroup hat diese menschliche Komponente absolut verstanden.
Von welcher Entwicklung im Rahmen eines Fabrikarium träumt My Human Kit?
Von einem Rollstuhl mit Düsenantrieb! [Gelächter] Außerdem würden wir gern unsere bestehenden Partnerschaften weiter ausbauen. Wir würden in Zukunft leidenschaftlich gern Abfallmaterial wiederverwenden und Teile recyceln, um daraus Objekte herzustellen, etwa Prothesen. Das wäre wirklich mein Traum.